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Beitrag vom 23.12.2008
Ärztliche Beratungspflicht bei medizinischer Indikation
Henriette Jankow
Die Union stellte Ende November 2008 einen Entwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vor. ÄrztInnen sollen bei Spätabtreibungen einer Beratungspflicht nachkommen, Schwangere eine...
...gesetzliche Bedenkzeit von drei Tagen erhalten.
Der §218
Wann beginnt Leben? Wer hat das Recht, über die Lebensfähigkeit ungeborenen Lebens zu richten? Nach deutschem Gesetz ist ein Schwangerschaftsabbruch eine Straftat gegen das Leben. Allerdings wird hierzulande ebenso das freie Entscheidungsrecht der Frau geachtet und so wird eine Abtreibung nach § 218a StGB nicht unter Strafe gestellt, wenn die Schwangere eine Bescheinigung über eine Beratung vorweisen kann, die mindestens drei Tage vor Abbruchstermin stattgefunden hat und der Zeitpunkt der Empfängnis nicht länger als zwölf Wochen zurückliegt.
Erfährt die Frau jedoch im weiteren Verlauf ihrer Schwangerschaft von möglichen Behinderungen oder Gendefekten ihres ungeborenen Kindes, besteht seit der Novellierung des §218 von 1995 rein rechtlich die Möglichkeit, eine Spätabtreibung vornehmen zu lassen, der keine Frist gesetzt ist. Bescheinigt die/der Ärztin/Arzt, dass die Schwangere ein Leben mit einem behinderten Kind psychisch oder körperlich nicht verkraften kann, so ist eine Spätabtreibung bis zum Geburtstermin möglich. Das heißt, theoretisch kann das Ungeborene zu einem Zeitpunkt abgetrieben werden, wenn es bereits außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig ist. In Diagnosefällen einer Behinderung des Kindes entfällt die Beratungspflicht.
Die Regelungen um Spätabtreibungen ab der 20. Woche boten vor kurzem erneut Anlass zur Diskussion. Abgeordnete der CDU/CSU und der SPD reichten am 26. November 2008 einen Entwurf zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ein. Demnach soll es für ÄrztInnen eine Pflicht geben, Schwangere über medizinische und psychosoziale Aspekte zu beraten. Weiterhin sehen die Änderungsvorschläge eine gesetzlich festgelegte Bedenkzeit von drei Tagen zwischen Beratungsgespräch und der nächsten Behandlung vor. Kommen die ÄrztInnen der Beratungspflicht nicht nach, so steht ihnen ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro ins Haus. Darüber hinaus sollen alle Fälle der Spätabtreibung unter Wahrung der Anonymität der Schwangeren an das statistische Bundesamt gesandt werden. Selbiges erfasste im Jahr 2007 631 Schwangerschaftsabbrüche nach der 20. Woche. Im gleichen Jahr wurde laut Statistik insgesamt 116.871 mal abgetrieben.
Die Reaktionen
Im Rahmen der neuen Beratungsregelung, die von kirchlichen und VertreterInnen der Bundesvereinigung der Lebenshilfe für geistig Behinderte sehr begrüßt wird, soll neben einer Darstellung medizinischer Fakten auch positiv für ein Leben mit einem behinderten Kind argumentiert werden. Betroffene sollen darüber hinaus Kontakte zu Selbsthilfegruppen und psychosozialen Beratungsstellen vermittelt bekommen. Die Beratungspflicht liegt jedoch allein bei den ÄrztInnen, während es Schwangeren und ihren PartnerInnen frei stehen soll, ein Gespräch wahrzunehmen.
KritikerInnen dieses Entwurfs zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, wie beispielsweise die SPD-Politikerin Christel Humme, betonen zum einen die Willkürlichkeit der Drei-Tages-Frist. Zum anderen solle nicht allein über die medizinischen und psychosozialen Aspekt der Befunde einer pränatalen Untersuchung beraten werden, sondern über die Chancen und Risiken der Untersuchung selbst. Schließlich sehe sich die Schwangere regelrecht mit einem "Untersuchungsmarathon" konfrontiert, so Humme in einem Interview mit Deutschlandfunk. Es solle weiterhin ein Recht auf Nicht-Wissen der werdenden Mütter gewahrt bleiben.
Der pro familia-Bundesverband kritisierte die am 18. Dezember 2008 im Bundestag vorgelesenen Änderungsvorschläge des Schwangerschaftskonfliktgesetzes aufs Schärfste: Ein derartiger Gesetzesentwurf richte sich sowohl gegen Frauen und Paare als auch gegen die Ärzteschaft. Darüber hinaus werde die Zahl der Spätabtreibungen nach medizinischer Indikation nicht sinken. Betroffene bräuchten ein Beratungsangebot auf Freiwilligenbasis und keine Beratung durch von Bußgeld bedrohte ÄrztInnen. Mit der Gesetzesänderung werde das Problem Spätabtreibung noch mehr zur Belastung, die Frauen müssten "zusätzliche Kosten und Schwierigkeiten auf sich nehmen. So wird der Schwangerschaftsabbruch zum ökonomischen und sozialen Problem", heißt es in einer Pressemitteilung von pro familia.
Ausblick
Ob die vorgeschlagene Gesetzesänderung tatsächlich umgesetzt wird, ist angesichts der Uneinigkeit der Fraktionen fraglich. Im März 2009 wird es erneute Anhörungen zum Thema geben.
Fraglich bleibt ebenso, wie im Einzelnen die Umsetzung des neuen Gesetz aussehen sollte, sofern es denn bewilligt wird: ÄrztInnen sind verpflichtet, zu beraten, Schwangeren steht es frei, die Beratung anzunehmen. Ob die dreitätige gesetzlich verankerte Bedenkzeit auch im Falle einer Ablehnung der Beratung greift, ist ungewiss. An der sowohl moralischen als auch emotionalen Schwere, sich für oder gegen ein Kind zu entscheiden, dürften diese Vorschläge kaum etwas ändern. So geht der Kampf um das Bestimmungsrecht darüber, wann Leben beginnt und ob es lebenswert ist, in die nächste Runde. Die letzte wird es nicht gewesen sein.
Alles neu?
Bereits im Jahre 2006 trat die Union mit einem ähnlichen Vorschlag vor und wurde ebenso von diversen Verbänden kritisiert. Lesen Sie dazu unseren Beitrag über die "Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs" sowie eine Rekapitulation über "10 Jahre Neuregelung des Paragraphen 218" auf AVIVA-Berlin.
Weitere Infos zum Thema Schwangerschaftsabbruch und entsprechende Beratungsstellen finden Sie unter:
www.frauengesundheitszentren.de
www.lifeline.de
www.profamilia.de
(Quellen:
www.dradio.de
www.phoenix.de
www.ard.de
www.profamilia.de
www.zdf.de
www.tagesschau.de
www.cdu.de)